Warum macht man sowas?
Bis zum Schidepot auf dem Sattel zwischen Glatthorn und Sonnenköpfle ist es eine kleine, feine Schitour, ‚blau‘ im Skitourenführer gekennzeichnet, also: leicht. Und 90 % derer, die unterwegs sind, machen hier auch Schluss. Die restlichen 150 Höhenmeter sind ein steiler, teilweise sehr ausgesetzter Grat. Das helfende Seil ist immer wieder unter dem Schnee eingefroren, und ich frage mich: Warum machen wir so etwas?
Wir versichern einander nochmal, dass wir umdrehen, wenn es zu herausfordernd wird, und stapfen los. Zuerst noch flacher zum Gratansatz, dann kommt die Steilstufe. Sie ist mit einem Drahtseil versichert. Ich versuche es aus dem Eis herauszureißen, was mir nicht immer gelingt. Links geht’s sehr steil hinunter, rechts überhaupt senkrecht.
Schweiß aus zwei Quellen mit „A“: Anstrengung und Angst. Schritt für Schritt. Dann legt sich der Grat etwas zurück, während es rechts hinunter immer bedrohlicher aussieht. Schließlich ist noch die Gipfelwechte ein Hindernis. Da ist der Schnee härter. Ich haue meine Schischuhe in die Tritte, um ja sicher zu gehen. Ausstieg, Gipfelkreuz, Dankgebet!
Auf dem Gipfel ist genug Platz, allerdings ist auch das trügerisch: Nach Nordosten hängt eine riesige Gipfelwechte 150 m über dem Nichts. Nicht draufsteigen!
Nach Jause und Fotopause schau ich mal vorsichtig, wie wir wieder runter kommen. Grauslich. Die ersten 10 Höhenmeter muss ich schaffen, dann beginnt das Seil. Langsam, ein bissl zittrig und sehr bedächtig steige ich Tritt für Tritt wieder hinunter. Ich schau nicht nach links, nicht nach rechts, nur auf den nächsten Schritt. Endlich habe ich das Seil zum Anhalten erreicht. Der Rest ist schwierig für mich, aber nicht mehr so beängstigend.
Bei den Schiern haben wir’s geschafft! Der Abfahrt über die Rampe stand nichts mehr im Weg. Die Erleichterung und Freude über das Geschaffte hat sich auf mein Schwing-Verhalten ausgewirkt. Man könnte es ‚übermütig‘ nennen!
Wir kehren im Schigebiet in der Franz-Josef-Hütte ein und fragen uns bei Kaffee und Mehlspeise, warum wir sowas machen.
Weil ich höchste Erhebungen von Gebirgsgruppen „sammle“, und das Glatthorn der höchste Gipfel des Bregenzerwald-Gebirges ist, ist nur eine oberflächliche Antwort. Weil ich Herausforderungen mag? Naja, eh. Weil „etwas entdecken“ und „Abenteuer erleben“ zu unser aller Grundbedürfnissen gehören, sozusagen von Gott in uns hineingelegt? Weil es so gut tut, wenn die Endorphine danach den Körper durchpurzeln? Weil es da oben einfach schön ist? Ja. Das alles zusammen vielleicht.
Wer sich jetzt noch fragt, wie eigentlich Gabi das erlebt hat? Nun, die hat keine Angst – höchstens um mich. Ich bin der Hosenscheißer in der Familie.