Hast du keine Angst? – Doch.

Gamsplan, 1902 m – Bergtour

1420 Hm, 9 h

Ausgangspunkt: Parkplatz beim Jagdhaus Rettenbach in Rading bei Windischgarsten.

Die Gamsplan ist die zweithöchste Erhebung des Sengsengebirges, und der einzige Gipfel dieses Bergzuges, den ich noch nicht bestiegen hatte.

14. Juni 2025

Weil es heiß werden sollte, brechen wir früh auf. Um 5 Uhr los von zuhause, um 6.15 Uhr Einstieg in den Budergrabensteig Richtung Hohe Nock.

Der Stieg ist uns bekannt – aber wir hatten vergessen, wie schön es da ist, und wie fein der Weg angelegt ist. Das ist Genusswandern in der Morgenfrühe! Es geht – für unsere Verhältnisse – zügig voran, und nach nicht ganz 3 Stunden und 1180 Hm sind wir schon bei der Abzweigung nach rechts auf den nicht markierten Gipfelsteig zu unserem Ziel. Noch 20 Minuten dem Steiglein nach: es führt dicht an die Nordabbrüche heran, ist durch die Latschen hindurch kürzlich erst nachgeschnitten worden, und bringt uns auf den Gipfel der Gamsplan, mit Kreuz und Gipfelbuch. Knapp 3 ½ Stunden sind vergangen, und 1300 Hm geschafft. Eigentlich könnten wir zufrieden sein, Gipfelfotos machen und zu Mittag wieder beim Auto sein…

Ich hatte allerdings daheim in der OSM-Karte am PC einen Steig gesehen, der uns den Kamm entlang nach Osten führen würde, nach dem Giereranger dann nach Süden hinunter zum Rosskopfsattel, und dann zurück nach Westen, und über den Obersbergsteig hinunter zum Auto. Ganz genau hatte ich es mir fatalerweise nicht angesehen, aber: wenn wir jetzt das Steiglein finden, dann machen wir doch diesen kleinen Umweg. Gabi ist dagegen, willigt aber ein – schließlich ist der gleiche Weg zurück langweilig und der Weg zu Beginn deutlich sichtbar.

Los geht’s!

Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Es war eine 5 ½ stündige Wegsucherei und Schinderei in der Bruthitze des Latschenurwaldes! Nur zu empfehlen, wenn man eine gewisse Leidensfähigkeit mitbringt.

Zunächst am Kamm nach Osten: das fühlt sich noch schön an, hie und da suchen wir ein bisschen rum, aber immer wieder gibt es ausgeschnittene Abschnitte, und Steinmännchen. Allerdings: es zieht sich gewaltig, immer noch und immer noch und immer noch geht’s weiter nach Osten. Nach Süden runter – keine Chance! Gefühlt müssten wir längst bei der Abzweigung hinunter nach rechts sein. Wir machen Pause. Ich schau auf der AV-Karte auf m Handy nach. Interessanterweise ist da der Weg, den ich zuhause am PC gesehen hatte, nur teilweise eingezeichnet. Konkret: Eine „Abzweigung“ gibt es nicht. Es gibt von unserem Steiglein weg eine Art Felsrinne, und wo die endet, beginnt ein anderer Steig. Ich identifiziere diese Felsrinne als ausgetrocknetes Bachbett. Das finden wir, kraxeln da runter – und siehe da: tatsächlich ist da wieder ein Weglein, fein ausgeschnitten und relativ gut sichtbar. Wir folgen ihm, wohl wissend, dass es – auf der Handy-Karte – im Nichts endet. Bei diesem ‚Nichts‘ beginnt das Durchschlagen auf einen Steig 120 Hm weiter unten, den wir auf dem Rosskopfsattel erreichen wollen. Wir schaffen das, allerdings 30 Hm unterhalb des Sattels. Also rauf da, und dann diesen neuen Pfad weiter Richtung Westen. Inzwischen sind wir beide schon a bissl leer. Immerhin gibt’s den Steig.

Dann kommt nochmal eine kleine Gegensteigung, die uns die letzten Kräfte raubt – und dann sind wir auf dem Obersbergsteig. Gerettet. Ihr Lieben: Das ist kein Steig, das ist ein Zustand! Oft nicht zu finden, sausteil, Abbrüche und Schräggänge ohne Ende, keine festen Tritte, jeder Schritt ein Abenteuer. Zu allem dazu bricht mir in diesem Moment einer meiner beiden Stöcke. Einmal, wo ich ihn wirklich gebraucht hätte. Na gut, er war ja wirklich schon auf vielen Bergen. Wir schleppen und stolpern uns mehr zum Auto als wir gehen. Aber: Nach 9 h unterwegs, 8.23 h reine Gehzeit sind wir wieder da.

Ich steige in den eiskalten Bach, um mich zu erfrischen. Um halb vier verlassen wir leise das Hintere Rettenbachtal.

Tier-Sichtungen: auf dem schmalen Steiglein oben am Kamm lag eine Kreuzotter, schlafend, den Kopf im Schatten. Wir wussten erst nicht, ob es sich nur um die Haut der Schlange handelt, aber ein Anstubsen mit dem Stecken hat sie ganz schön zornig werden lassen. Außerdem eine Gämse, und zwei Hirschkühe.

Ängste: habe ich. Vor den Schlangenviechern sowieso, vor dem Verirren, davor, dass mir die Kraft ausgeht und ich erschöpfungsbedingt nicht weiterkann, vor einer Verletzung. Ängste begleiten mich. Aber die Lust auf Abenteuer, auf Wege, die selten jemand geht, auf Einsamkeit und Auf-sich-selbst-gestellt-Sein, auf das spüren, dass ich an meine Grenzen komme: diese Lust auf all das ist stärker.

Noch lieber als zu wandern predige ich. Da geht es mir ähnlich. Ich habe Ängste: Dass die Stimme versagt, dass die Leute es langweilig finden, dass es nicht relevant ist, dass ich Gottes Wort und Botschaft nicht rüberbringe, dass harte biblische Aussagen nicht gut ankommen, dass … Aber die Lust auf das Abenteuer, Menschen zum Vertrauen auf den Dreieinigen Gott einzuladen ist stärker.