Eine völlig andere Berg(steiger)-Welt

21. – 23. August 2022

Triglav – 20.000 Alpinist*innen stehen jährlich auf diesem außergewöhnlichen Berg; … und am 22. August 2022 auch Gabi und ich. Triglav - das ist Bergsport im Superlativ: der höchste Berg Sloweniens, der Höchste der Julier, die Nordwand eine der höchsten Felswände überhaupt; mindestens acht markierte Anstiege führen von allen Seiten auf die Hochebene rund um den Triglav (die keine ist, sondern ein Gewirr von Satteln, Graten und Steilwänden, und ja: ein paar mondkraterartige Flächen gibt’s auch); fünf Hütten stehen da oben mit weit über 700 Betten, und ein paar weitere eine Stufe tiefer, auf halber Höhe sozusagen; und drei ‚normale‘ Anstiegsrouten von den Hütten zum Gipfel stehen bereit. Abenteuer Triglav: los geht’s!

Welchen Anstieg wählen? Von Westen über den Vrsic-Pass war nicht im Blickfeld, von Süden über den Wocheinersee und das Sieben-Seen-Tal ist zwar schön, aber weit und machen wir mal extra, von Osten über Rudno polje ist am weitesten und leichtesten, und von Norden gibt’s 3 Täler, aus denen Wege hinauf führen: Im Vrata-Tal beginnen 3 Pfade, einer schwerer als der andere, „und alle, alle gehen da rauf“; im Krma-Tal gehen die Schitourengeher los, und im mittleren Kot-Tal … die Neubachers. Der vielleicht einsamste Steig.

Es gibt keinen richtigen Parkplatz da hinten am Ende des Sträßchens, aber zwischen den Bäumen zwängt man sich irgendwo rein.

Der Weg verläuft zunächst nach Süden, aber schon bald biegen wir östlich in den steilen Wald hinauf ab. Schon nach 20 Minuten schaue ich direkt neben mir 50 Höhenmeter runter – ein halber Schritt zum Abgrund. Na Servas, denke ich, wenn das so weiter geht… Es geht so weiter! Im wirklich gefährlichen Gelände helfen in den Stein gehauene Stufen, und in den Felsen gebohrte Eisenstifte und Seile.

Ein großartig gepflegter und versicherter Steig. Wir fühlen uns wohl, weil die Menschen, die den Weg warten, umsichtig vorgegangen sind. Danke!

Was sich anhängt, ist der Pinkel auf dem Rücken: Hüttenschlafsack, Klettersteigset, Kleidung für 3 Tage, Wegzehrung, Getränk – alles wiegt! Wir kommen langsam höher. Nach der Steilwaldstufe gehen wir in einem Kar immer höher. Es ist von gewaltigen Felsmauern rechts und links begrenzt. Das Kar war zur Eiszeit voll Eis, die Gletscherschliffe sind beeindruckend.

Wir brauchen 3 Pausen, Feigen, Datteln und ein Magnesium-Brieferl … und Geduld. Nach ziemlich genau 5 Stunden sehen wir das Tagesziel: Die Dom Valentina Stanica.

Noch ¼ Stunde gehen: Ziel erreicht. Die Hütte ist eine der kleineren – auch deshalb habe ich sie ausgesucht. Thema ‚Hütte‘: Das läuft hier in Slowenien anders als bei uns: Vor der Hütte stehen Tische und Bänke, und darauf kochen die Wander*innen auf dem mitgebrachten Gaskocher ihr Supperl. Wenn du was brauchst, gehst du rein zur Theke: Hier kriegst du von freundlichen jungen Menschen praktisch alles – außer Wasser. Wasser gibt es nirgends. Natürlich, zum Trinken kannst du Wasser kaufen, aber zum Waschen: nix. Unsere Hütte hatte den Luxus, dass sie Regenwasser sammeln (war heuer wenig), und das kommt dann tröpfchenweise aus dem Wasserhahn – da kannst du die Zähne putzen. Aber keinesfalls schlucken! Klo: Plumps! Ich mache alle Reißverschlüsse zu, damit mir nichts raus-, reinfällt. Der Gastraum ist geheizt, das Mädel an der Rezeption spricht Englisch, und „Half-Pension“ ist glaub ich weltumspannend verständlich. Wir kriegen ein 2-Stockbetten-Zimmer für uns allein, sind dankbar und fühlen uns wohl. Wir zögern alles hinaus, was geht, sind aber dennoch um halb Neun im Bett.

Dafür früh wach, und aufgeregt: Ich habe den Triglav-Koloss, den sie ob seiner von hier gut sichtbaren, gänsemarsch-artigen Grat-Begeher*innen-Kolonnen liebevoll „Igel“ nennen, gestern Abend schon gesehen.

Man könnte weiche Knie bekommen. Dazu der auffrischende Wind, es ist nicht strahlend schön. Mir wird mulmig.

Für den Zustieg bis zum Hard-Core-Teil ab dem Kredarica-Haus wählen wir die „Abkürzung“ über die Kredarica, einem kleinen Hügel Richtung Südost. Das entpuppt sich als mentale Herausforderung: Immer wieder führt der Weg an Abgründe heran, man schaut tief hinunter oder ins Nichts – schlecht für meine höhenängstlichen Nerven. Ich rufe mir in Erinnerung: Fritz, du bist schwindelfrei – du hast nur Angst. Weiter!

Nach 5/4 Stunden erreichen wir das Schutzhaus, gehen achtlos daran vorbei, direkt auf die senkrechte Wand und den dort beginnenden Steig zu. Gabi geht ungewöhnlich schnell, wahrscheinlich will sie meine angstgenerierten Bemerkungen nicht hören. By the way: Sie hatte ihr Klettersteiggeschirr im Tal gelassen, weil es ihr zu schwer war, nur der Helm war mitgekommen. Wir adjustieren uns. Und dann geht’s los: Über den Ostgrat und den Mali-Triglav aufs Haupt von Slowenien!

Was jetzt kommt ist wieder schier unglaublich: In den Berg sind stiegenartig Tritte hineingehauen! Dort wo kein natürlicher Auftritt vorhanden war, hat man einen geschaffen! Dazu die Seilsicherungen und an manchen Stellen Eisenstifte - wir merken bald: Technisch ist das hier absolut nicht schwierig.

Du findest immer einen Tritt und hast immer was, wo du dich anhalten kannst. Nur für Angsthasen ist es mental eine Herausforderung. Manchmal hatten die Weg-Bauer das Gefühl, dass es für die nächsten 2 Höhenmeter keine Sicherung braucht. Das bedeutet für mich: Nicht vergessen zu atmen, und weiter! Übrigens habe ich mich nicht immer eingehängt. Das Seil ist auch kein Klettersteigseil, es dient mehr dem Anhalten, und ist sehr häufig im Fels verankert, du müsstest schon sehr oft umhängen. An den ganz bodenlosen Stellen habe ich mich gesichert. Bald sind wir am kleinen Triglav. Jetzt geht’s relativ flach, teilweise bergab, aber extrem ausgesetzt hinüber zum Schlussanstieg. Links schaut man 200 Höhenmeter runter zur Schotterriesen, rechts ebenfalls 200 Meter zum Rest des Triglav-Gletschers.

Im Nachhinein habe ich gelesen, dass sie diese Stelle künstlich verbreitert haben, was heißt, dass der Grat ursprünglich noch schmäler gewesen ist. Wer immer das war: Ich danke euch!

Ach ja, Gegenverkehr: Weil das Wetter nicht optimal war, und weil Montag war, hielt sich der Andrang in Grenzen. An dem Tag waren insgesamt vielleicht nur 300 Menschen am Gipfel… Dem entsprechend steht man immer wieder mal in einer Nische, und wartet, bis die von oben Kommenden durch sind. Ich habe die Pausen eh gebraucht!

Nach 3 Stunden ab unserer Hütte haben wir das Ziel erreicht. Triglav heißt übersetzt: Dreihaupt. Ich suche mit meinen Blicken die anderen beiden Häupter. Nix. Mir fallen die Worte ungezählter Sportlerinnen bei Sieger-Interviews ein: Ich kann das noch gar nicht realisieren! Die Weitsicht ist nicht optimal an dem Tag, aber die ‚großen Julier‘: Montasio, Skrlatica, Mangart und Jalovec schauen raus. Es beginnt zu ‚Flankerln‘, zu Schneien. Wir essen, trinken, fotografieren dennoch, und beten: Dank und Bitte um einen behüteten Abstieg.

Der Abstieg zur Dom auf der Kredarica mit ihren mehr als 300(!) Betten gelingt problemlos. Ich merke, wie meine Konzentrationsfähigkeit schwindet, und bin froh und glücklich, als ich das Geschirr abnehmen darf! Hier passt der – wie immer richtige, aber doch … Hm… Ausspruch meiner Frau: „Hast du gesehen? Der durchschnittliche Triglav-Besteiger ist männlich und halb so alt wie du!“

Im Kredarica-Haus ist der Bär los! Wir kriegen trotzdem einen warmen Platz, eine Suppe, was zu trinken, Kaffee und Nachspeise! Langsam setzt der Genuss-Modus ein. Auf, Fritz, wir haben noch herausfordernde Höhenmeter abzusteigen…

Vorsichtig gehen wir auch die letzte Wegstunde dieses Tages und erreichen müde und erfüllt von Eindrücken Nachmittags um Drei die Hütte. Den Rest kennt ihr schon: Nicht waschen, fotografieren, Tarock spielen, warten, Abendessen (einfach, aber gut), schlafen gehen. Beim Abendessen fallen uns 3 Personen auf, die eventuell … naja, nicht ganz … auch so alt wie wir beide gewesen sein könnten.

Der nächste Tag beginnt mit Regentropfen. Nicht viel, aber immer wieder. Wir gehen es gemütlich an: Frühstücken, zusammenpacken, verabschieden, absteigen. Das dauert bissl mehr als 3 Stunden. Wegen der Nässe sind wir besonders vorsichtig.

Wir erreichen unser mittlerweile allein im Wald stehendes rotes Auto um halb zwölf.

Mein Resümee während der Heimfahrt: Nicht einmal 5 Monate nach meiner Prostata-OP war ich auf dem Triglav. Ich verdrücke dankbar ein paar Tränen. Die körperliche Fitness muss schon passen, und die hat gepasst (Ich weiß: Es gibt wahrscheinlich Bergläufer, die machen das gesamte Programm nicht an 3 Tagen, sondern in 3 Stunden). Die mentale Konstitution ist eher mein Problem: „Die Angst ist ein Hund!“. Sie stundenlang im Zaum zu halten, war meine größte Anstrengung. Dazu Wetter, Gesundheit (Stichwort: Covid-19), und noch 50 Sachen, die alle zusammenstimmen müssen, damit das gelingt: Das nenne ich wunderbar, und ich meine damit: Das liegt außerhalb meiner Möglichkeiten. Da hilft ein anderer mit: Unser Gott, der nicht dreihäuptig ist, aber dreifaltig: unser Schöpfer, unser Erlöser und unsere Kraftquelle.

Werk für Evangelisation und Gemeindeaufbau in der Evang. Kirche A.B. in Österreich
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