Folge nur der Engelsspur!

6. Februar 2023

Die Tour auf die Hintere Seekarwand ist in diversen Führern als beliebte, einfache, ungefährliche und nette Schitour für jedes Wetter beschrieben. Als wir in Gosau ankommen, dämmert uns: Wir sind die einzigen (Verrückten?), die da rauf wollen.

Wir wissen aber nicht warum, und machen uns auf die Suche nach der „praktisch immer vorhandenen Aufstiegsspur“ (Zitat aus einem der Tourenbücher). Wir gehen ein paarhundert Meter dem See entlang bis zur Forststraße zur Ebenalm. Die ist auf Grund geräumt – gaaanz schlecht für Tourengeher. Bei der 3. Kehre sollten wir rechts in den Wald hinein. Wir finden aber keine Anzeichen dafür, dass hier jemand gegangen ist. Umdrehen? Auf der Schipiste zum Hornspitz? Wir folgen dem Forstweg, und siehe da, ein Stück weiter oben zweigt entlang des Sommerwegs eine einzelne Tourengeher-Spur ab. Ein Einzelner!? Ein Unwissender wie wir? Ein Abenteurer, ein Spinner, ein einheimischer Freak, ein neuseeländischer Schitouren-Anfänger? Wir wissen es nicht, aber wir folgen der Spur. Sie führt uns – exakt wie in den Büchern beschrieben – links des Grabens durch den Wald hinauf zur Forststraße. Dieser folgen wir nach rechts, bis die Straße in einem Rechtsbogen ansteigt. Dort wenden wir uns scharf nach links, unter Felswänden hindurch und folgen dem Vorausgegangenen schräg den Berg hinauf. Der wird zunehmend steiler, aber unser Referenzgeher weiß anscheinend perfekt Bescheid: Er sticht in den Wald hinauf, kennt jede Lichtung, jede Schneise und jeden Schlag, geht mal nach links, dann nach rechts, am Ende im Steilgelände mit –zig Spitzkehren im Tiefschnee eher rechts hinaus, bis sich das Gelände wieder zurücklehnt und durchatmen möglich ist. Auf der Suche nach einem Pausenplatz passiert es mir, dass ich mich komisch verdrehe, dabei stürze, und – nicht mehr aufkomme: Der Schnee ist grundlos tief, die Stöcke versinken und bieten keinen Halt. Ich winde mich wie ein Käfer, der auf den Rücken gefallen ist, schnalle endlich einen der Schier ab, und komme mühsam wieder auf die Beine. Gut. Notfalls wäre Gabi ja dabei gewesen…

Pause.

Und weiter: Längst haben wir Vertrauen gefasst zu unserem „Spurer“, wir sprechen von unserem „Engel“, und folgen ihm. Das Gelände wird flacher – wobei: Das ist das falsche Wort. Es ist extrem kupiert, du siehst nur überall kleine Hügelchen, und dahinter die nächsten Hügelchen, es geht rauf und runter, hinüber und herüber, und hätten wir nicht unseren Engel gehabt – hier bist du verloren! Das Wetter hielt sich auch nicht an die Versprechungen der Wetterdienste, es war verzogen, bedeckt, saukalt und schlechte Sicht. Der Schnee verdeckte die Latschen – aber nicht ganz. Immer wieder schauen welche raus, und in ihrer Nähe ist die Gefahr des Einbrechens groß. Die Stöcke fahren ins Leere, uiuiui: Aufpassen, nicht stürzen.

Irgendwann, nach schier endloser Wanderung durch die Hügelwüste stehen wir an einem Punkt, an dem unser Engel umgedreht hat – nachdem er was gemacht hatte, was Engel nicht müssen, aber die zurückgelassenen Hinweise im Schnee es suggerieren. Mein Höhenmessgerät sagt: 1820 m – das ist 37 m unter dem Gipfel. Vielleicht wäre es ja dieser nächste Klapf vor uns. Wir entscheiden, auch hier unserem Guide zu vertrauen, stufen den Rest der Tour als „nicht lohnend“ ein, reißen die Felle von den Schiern und verlassen diesen ungemütlichen, höchsten Punkt so schnell wir können.

Schon beim Raufgehen ist uns aufgefallen, dass die Abfahrtsspur kaum einmal der Aufstiegsspur folgte. Engel kannte offenbar coole Hänge und Schläge, die er befahren hat. Wir folgen ihm auch hier. Erst noch oben am Plateau über die Latschen und Kuppen zurückfinden zur Einfahrt in den steilen Waldteil – aber dann: Yippieh, ab durch den Tiefschnee! Das war soooo schön: Tiefer Tiefschnee, eine Referenzspur, und sonst unberührte Landschaft. Wir schwingen die teilweise richtig steilen, schmalen Schneisen oder den lichten Wald hinunter – die glücklichsten Menschen der Erde!

Bevor es endgültig in den unteren Wald hineingeht, machen wir noch eine Pause mit Blick auf den Gosausee, jausnen, und brechen mit ein bissl Bangen auf für den unteren Teil.

Bangen deswegen, weil wir beim Raufgehen bemerkt hatten, dass hier der Schnee unter einer 5cm dicken Neuschneeschicht einen fetten Harschdeckel hatte, der beim Schwingen Probleme machen könnte. Unbegründete Sorgen! Es war fester geworden, aber es blieb ein Genuss! Als unsere Engelsspur dann allerdings direkt auf eine Felsmauer zusteuerte, und der Wald davor Dickicht war und zu steil zum befahren, kam der „Moment der letzten Spannung“: War das Engelchen doch ein Teufelchen? Wie finden wir da hinunter? Nun – der Spur nach.

Er wusste, dass es eine Möglichkeit gab! Allerdings konntest du hier nicht mehr variieren, die Schwünge waren eng und genauso anzusetzen, wie er es vorgemacht hatte. Unten ging‘s weiter mit lockerem Schwingen – bis zur Forststraße. Den folgenden letzten Teil auf der geräumten Forststraße verschweigen wir – er passt nicht in die Euphorie-geschwängerten Erinnerungen an diesen Traumtag. Die Unterseite der Schier erzählen diese Geschichte. Was hineinpasst, ist der Kaiserschmarrn und der Apfelstrudel im Gasthof Gosausee.

Bei einer Tasse Kaffee haben Gabi und ich uns ausgetauscht über Spuren, denen wir im Leben folgen, über das Vertrauen oder Mistrauen, das nötig ist, wenn du selber keine Kenntnis über den Weg hast, über gute Erlebnisse und Enttäuschungen, über schier unüberwindliche Felsmauern, und schmale Durchschlupfe, und darüber, dass wir in Jesus einen haben, der uns vorausgespurt hat, und unser Leben zu einer Traumtour hat werden lassen, Stürze eingeschlossen.

Werk für Evangelisation und Gemeindeaufbau in der Evang. Kirche A.B. in Österreich
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