2 Minuten, 2 existenzielle Ereignisse

23. Oktober 2022

Die Kammspitze ist auf der Wanderskala des Schweizer Alpen-Clubs (SAC) mit T4 klassifiziert, also: An gewissen Stellen braucht es die Hände zum Vorwärtskommen. Das Gelände ist bereits recht exponiert, heikle Grashalden, Schrofen. 
Für mich heißt das: Da kann ich nicht einfach schnell mal rauf, da muss schon vieles passen: Trockenes Wetter, Sonnenschein, gut schlafen, mental und körperlich fit sein. Am 23. Oktober war es so weit. Gabi und ich waren bereit ….
 

Vom Parkplatz aus geht’s ein paar Schritte in Fahrtrichtung weiter aus dem Wald raus bis zur Abzweigung des Ziehweges nach links. Die Hinweisschilder sagen, dass wir hier zum Säbelboden und in weiterer Folge zur Kammspitze kommen. Es geht durch herrlichen Buchen- und Mischwald hinauf und hinauf und hinauf. Bald sind wir über dem Nebel im Tal, knipsen rüber zum majestätischen Grimming, und erreichen nach ¾ Stunde eine querende Forststraße, an der unser Ziehweg endet.

Nicht links, nicht rechts, sondern grade drüber – da beginnt der Wanderweg. Kurz danach sind wir bei der Abzweigung: Geradeaus ginge es zum Zirmel, einem wunderschönen Rastplatz auf der Ostschulter – da wollen wir runterkommen. Wir biegen links ab, hinüber zu dem Weg 677, der geradeherauf kommt. Dort ist auch gleich ein feines Platzerl mit Aussicht in die Schladminger Tauern.

Wir machen Pause. In diesem Moment kommt ein Wanderer daher, begrüßt uns freundlich und macht Anstalten, genau den gleichen Platz zu seinem Rastplatz zu machen. Hm. Der ganze Berg wäre verfügbar, aber bitte. Er beginnt sogleich ein ca. zweiminütiges Gespräch, in dem wir erfahren, dass der Wandersmann geschieden ist, und vom Detmolder-Grat einen 60° steilen Hang hinuntergefallen ist. Wir sind platt über so viel Offenheit, bieten Gespräch über beides an, und fragen uns, was ihn bewegt, wildfremden Menschen seine Storys zu erzählen. Er ist aber schon wieder am Aufbrechen, tieferes Gespräch nicht erwünscht, oder nicht deutlich genug angeboten. Immerhin, er sagt: „Der Himmelsvater muss noch was vor haben mit mir, weil ich den Sturz überlebt habe.“ Dann ist er weg. Gabi und ich brechen auch wieder auf, und fragen uns, ob wir zu spät vom Wander- und den Seelsorge-Modus umgeschaltet haben, und wie wir es hätten besser machen können. Wir beten still für ihn, dass er über beiden Ereignissen Frieden finden möge…

Der Weg führt schnurstracks in nördlicher Richtung zunehmend steiler in die Höhe. Wir queren eine Schotterriese, und gehen dann auf das felsige Köpfel der Kammspitze zu. Dort trinken wir nochmal, und kraxeln die letzten 70 Höhenmeter in einer Art Rinne, sehr gut mit Seilen und Eisenklammern gesichert, zum Gipfel.

Riesenpanorama!

Drei Stunden haben wir gebraucht, und so ein cooler Weg! Dankbar für die Jause, die Aussicht, unsere Heimat, unsere gemeinsame Liebe zum Wandern und für den schönen Tag brechen wir wieder auf. Nordseitig runter: Das ist ähnlich wie südseitig rauf, nur dass man nicht in einer Rinne kraxelt, sondern eher auf einer Rippe. Naja, ging so. Bald schon wendet sich der Steig nach rechts, Richtung Osten, und es geht immer den Grat entlang rüber zum Zirmel. Das ist der schönste Teil der Tour! Wir genießen, jeden Schritt! Angekommen beim Zirmel-Bankerl gibt’s wieder eine Pause, und dann Abstieg Richtung Säbelboden.

Der Teil des Weges ist eine lange Querung durch die Südost-Abhänge, und teilweise ein bissl zach. Aber bald schon sind wir beim Säbelboden, und münden in den Aufstiegsweg ein.

Die letzten Höhenmeter runter beschäftigen uns wieder die Fragen ums Zuhören, Eingestimmt sein auf Andere und ums Wahrnehmen (wollen) dessen, was Fremde und auch Freunde beschäftigt. Jesus hat das unglaublich gut gekonnt. Ich muss die Evangelien wieder mal daraufhin lesen!

 
Werk für Evangelisation und Gemeindeaufbau in der Evang. Kirche A.B. in Österreich
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